Aus dem Tagebuch der Anne Frank:
„Niemand, der nicht schreibt, weiß, wie fein es ist, zu schreiben. Früher habe ich immer bedauert, nicht gut zeichnen zu können, aber nun bin ich überglücklich, daß ich wenigstens schreiben kann. Und wenn ich nicht genug Talent habe, um Zeitungsartikel oder Bücher zu schreiben, gut, dann kann ich es immer noch für mich selbst tun.“ – Tagebucheintrag, 4. April 1944.
Auf Wikiquote habe ich dieses schöne Zitat gefunden. Es ist entnommen der Ausgabe des Lambert Schneider Verlags, Hamburg, 1958, S. 214. Übersetzer: Anneliese Schütz
Das Tagebuch der Anne Frank und ich
Das Tagebuch der Anne Frank habe ich nie gelesen. Aus Respekt. Und aus Angst. Dennoch nehme ich es mir heraus, obiges Zitat zu veröffentlichen. Weil es unaufgefordert so ein eindringliches Zeugnis darüber ablegt, welch gnadenvolle Hilfe das Schreiben einem Menschen, sogar einem jungen Menschen, unter schwierigsten Lebensbedingungen sein kann.
Anne Franks Tagebuch habe ich bisher nicht gelesen.
Aus Respekt, weil ich mich nicht dazu berufen fühle, uneingeladen in das Tagebuch, in das Leben eines jungen Mädchens einzudringen.
Aus Angst, weil ich befürchte, in diesem Tagebuch der Anne Frank etwas liebenswertes zu finden. Und dann würde ich womöglich mit ihr denken, mit ihr fühlen, mit ihr leben, mich womöglich mit ihr anfreunden oder mich in sie oder die Frau, die sie hätte werden und sein können, verlieben. Dabei erahnte ich doch eine Spur ihres Schicksals. Und hätte Angst davor, das ganze Schicksal zu kennen und mitzuerleben.
Andererseits komme ich mir nun, während ich dieses zugebe, sehr schäbig vor. Weil ich Anne Frank, indem ich mich ihrem Tagebuch verweigere, auch eine Möglichkeit des Weiterlebens ihrer Gedanken verwehre. Wie feige!
Vielleicht finde ich noch eine Lösung für dieses Dilemma. Und die Kraft, einen stärkeren, schöneren Weg einzuschlagen. Vielleicht helfen mir ja diese, meine Gedanken, während ich sie niederschreibe schon, einen würdevollen und angemessenen Weg im Umgang mit Anne Franks Tagebuch zu finden.
Hätte Anne Frank es sich gewünscht …
Hätte Anne Frank es sich gewünscht, dass ich ihr Tagebuch lese? – Das werde ich wohl nur erfahren können, wenn ich es wage, in ihre Welt und in ihr geheimes Schreiben einzudringen. Ich kann es ja, versehen mit dem angemessenen Respekt vielleicht wagen, mich als liebevoller Mentor ihren Gedanken und ihren Zeilen zu nähern um zu erahnen, ob sie sich einen Mentor und jemanden, der ihr Andenken weiterträgt gewünscht hätte.
Ja, ich will es versuchen; ich will es wagen.
…
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